- Polen \(1572 bis 1795\): Adelsrepublik im Schnittpunkt der Mächteinteressen
- Polen (1572 bis 1795): Adelsrepublik im Schnittpunkt der MächteinteressenDie polnische Adelsrepublik hatte nach der plötzlichen Thronvakanz 1572 ihre erste große Bewährungsprobe zu bestehen. Im Streit um die Modalitäten der freien Königswahl nach dem Aussterben der Jagiellonen im Mannesstamm drohte das mühsam erreichte Gleichgewicht zwischen der Königsmacht einerseits und den unterschiedlichen Interessen einflussreicher Magnaten- und Senatorengeschlechter und des mittleren und kleinen Adels (szlachta) andererseits erneut in Unordnung zu geraten. Der im Januar 1573 in Warschau tagende Konvokationsreichstag folgte einem Vorschlag des königlichen Sekretärs Jan Zamoyski und billigte jedem anwesenden Adligen »Mann für Mann«, und nicht nur den gewählten Adelsvertretern, das Stimmrecht zu. Noch vor dem Wahlakt bestätigte die »Generalkonföderation« dem protestantischen Adel die volle Glaubensfreiheit.Mit der ersten freien Königswahl kehrte zunächst nicht die erwartete Ruhe ein. Die Wähler hatten am 11. Mai 1573 Heinrich von Valois, dem Bruder des französischen Königs Karl IX., den Vorzug gegeben vor Erzherzog Ernst, einem Sohne des Kaisers Maximilian II. Dem neu gewählten König Heinrich II. wurden weitgehende verfassungsrechtliche Zusicherungen abverlangt. Als nach dem Tode seines Bruder wenige Wochen später der französische Königsthron zur Disposition stand, kehrte Heinrich dem Lande im Juni 1574 ohne förmliche Abdankung für immer den Rücken. Verfahrensstreitigkeiten unter den adligen Wählern verhinderten die Einigung auf einen gemeinsamen Nachfolgekandidaten. Die Parteigänger des Interrex, des Erzbischofs von Gnesen und Primas Polens, votierten angesichts der militärisch bedrohlichen Lage in Livland und an der Grenze zu den Krimtataren für Kaiser Maximilian II., die szlachta entschied sich aber in einem zweiten Wahlakt für die Jagiellonenprinzessin Anna und deren künftigen Gemahl Stephan Báthory. Der Woiwode von Siebenbürgen konnte sich rasch gegenüber dem Konkurrenten durchsetzen. Der Rat der Stadt Danzig hielt allerdings weiterhin zum Habsburger. Es gelang Stephan Báthory im Danziger Krieg (1576—77) nicht, den Widerstand der bevölkerungsreichsten Stadt Polens zu brechen. Er sah sich daher am 16. Dezember 1577 zu einem Kompromissfrieden in Marienburg genötigt, der den Stadtbürgern wohl eine förmliche Abbitte und eine Bußgeldzahlung abverlangte, ihnen aber ihre Privilegien und die freie Religionsausübung beließ.Der Kampf um Livland (1558—82) und die Nachfolge in PolenDen polnischen König Stephan IV. Báthory erwartete in dem sich hinziehenden Livländischen Krieg eine sehr viel schwierigere Herausforderung. Moskowitische Truppen hatten 1575 mit Pernau (Pärnu) die erste hansische Hafenstadt an der Ostsee erobert. Auf ihrem Verwüstungsfeldzug durch weite Teile Livlands verbreiteten sie Angst und Schrecken. Nur Kurland und die Inseln blieben vorerst verschont sowie unter den Städten Riga und Reval. Die Offensive des Zaren Iwan IV. drohte Polen ganz aus Livland hinauszudrängen.Nur dem strategischen Geschick Stephan Báthorys war eine kriegsentscheidende Wende zu verdanken. Mit seinen Truppen, denen er neben angeworbenen Söldnern vermehrt Kosakenverbände (»Registerkosaken«) und bäuerliche Rekruten aus den königlichen Besitzungen als »Hufeninfanterie« zuführte, eroberte er im August 1579 die Festung Polozk (Polock) an der oberen Düna zurück. 1581 rückte er bis unter die Mauern Pleskaus (Pskow) vor. Die Lage Iwans IV. wurde nach dem Kriegseintritt Schwedens immer unhaltbarer. Die karelische Festung Kexholm (Priosjorsk) war nicht mehr zu halten, und am 6. September 1581 fiel das heiß umkämpfte Narwa wieder in schwedische Hand. Der Zar befahl den Rückzug und bemühte sich um kaiserliche und päpstliche Vermittlung. Als Abgesandter Papst Gregors XIII. begab sich 1581 der Jesuit Antonio Possevino nach Moskau und ebnete den Weg für einen auf zehn Jahre befristeten polnisch-russischen Waffenstillstand, der am 15. Januar 1582 in dem Dorf Kiwerowa Gorka bei Jam Sapolskij unterzeichnet wurde. Zusammen mit dem schwedisch-russischen Vertrag an der Pljussa bei Narwa vom 10. August 1583 besiegelte er die vollständige Zurückdrängung Moskaus von der Ostseeküste. Der Polenkönig ließ sich im Besitz des »überdünischen Landes« (Alt-Livland) und der Festung Polozk bestätigen. Die nördlichen Küstenregionen, die das spätere Estland ausmachten, und Ingermanland mit Narwa, Kexholm und anderen Städten fielen an Schweden.Die polnische Herrschaft in Livland war überschattet von der Rivalität mit Schweden und dem sich abzeichnenden Verfassungskonflikt mit den livländischen Ständen. Die Ordensstädte, der Ordensadel und die Ritterschaft im Erzstift Riga wehrten sich gegen eine Minderung ihrer verbrieften Rechte. Sie befürchteten eine Förderung der Polonisierung und Rekatholisierung aufgrund der 1582 bestätigten Constitutiones Livoniae. Besonderen Anstoß erregten die Aktivitäten der Jesuiten, die Schulkollegien in Riga, Dorpat, Polozk, Grodno gründeten, und die Errichtung eines katholischen Bistums in Wenden. Ein Siedlungspatent von 1583 begünstigte die Einwanderung katholischer Handwerker und Bauern als Neusiedler in die verödeten Landstriche des östlichen Livland. In Riga äußerte sich der Unmut der vorwiegend deutschen Stadtbürger über die Nachgiebigkeit des Rates bei der Einführung des »päpstlichen« (gregorianischen) Kalenders 1585 in den Kalenderunruhen.In Polen reichte der durchschlagende Erfolg Stephan Báthorys im Livländischen Krieg nicht aus, um dem landfremden König die Sympathie und Loyalität des Adels zu erhalten. Als er 1586 unerwartet starb, wurde Polen wieder von der großen europäischen Politik eingeholt. Die Herrscherhäuser nahezu aller Nachbarstaaten meldeten ihr Interesse an einer Thronkandidatur an. Auf dem Wahlreichstag in Warschau standen sich im Sommer 1587 die bewaffneten Parteigänger des Kanzlers und Kronhetmans Jan Zamoyski und der Magnatenfamilie der Zborowskis unversöhnlich gegenüber und riskierten erneut eine Doppelwahl. Der Kanzler und der Primas entschieden sich für den 21-jährigen Kronprinzen Sigismund von Schweden, der die »piastische« Traditionen fortzuführen versprach. Die Partei der Zborowskis bevorzugte einen Habsburger, Erzherzog Maximilian, einen Bruder Kaiser Rudolfs II. Die besseren Karten hatte der Kanzler. Der schwedische Kronprinz erkaufte sich die Zustimmung des zunächst ablehnenden Adels in Litauen zu seiner Krönung am 28. Dezember 1587 mit dem Erlass des »Dritten Litauischen Statuts« (1588), das die politischen und sozialen Vorrechte des Adelsstandes erweiterte und weitgehend dem polnischen Beispiel anglich. Sigismund III. Wasa bemühte sich auch erfolgreich um einen Ausgleich mit den Habsburgern und heiratete 1592 Anna, die Schwester des späteren Kaisers Ferdinand II.Die Zeit der Wasakönige (1587—1668) und die »Blutige Sintflut«Der schwedisch-polnische Krieg (1600—1626/29)Der im katholischen Glauben erzogene Sigismund III. (1587—1632) hatte als polnischer König auf seine Thronrechte in Schweden nicht verzichtet. 1592 ließ er sich zum schwedischen König krönen. Als Regenten im Lande bestellte er seinen Onkel Herzog Karl von Södermanland. Dieser nutzte die Abwesenheit seines Neffen für seine eigenen Machtinteressen und ließ sich auf dem Reichstag in Söderköping 1595 mit den Sondervollmachten eines Reichsverwesers ausstatten. Sein Vorgehen löste einen Machtkampf im Hause Wasa aus. Karl von Södermanland verbündete sich mit der protestantischen Opposition in Schweden und spielte die Religionsfrage gegen den katholischen Polenkönig aus, der seine orthodoxen Untertanen 1595/96 zur Union mit Rom geführt hatte und die Gegenreformation in Schweden begünstigte. Als der schwedische Reichstag Sigismund III. im Februar 1600 die Thronfolge entzog, verfügte dieser am 12. März 1600 die lange verzögerte Einverleibung Estlands in das polnische Reich. Er zog damit Polen in eine lang andauernde kriegerische Auseinandersetzung mit Schweden um die Beherrschung der südlichen Küstenregionen des Finnischen Meerbusens hinein (1600—1626/29). Dem schwedischen Reichsverweser, der 1604 als Karl IX. den Königstitel angenommen hatte, gelang nur vorübergehend die Besetzung ganz Livlands. Seinem erst siebzehnjährigen Sohn Gustav II. Adolf, der ihm 1611 auf den schwedischen Thron nachfolgte, war ein länger dauernder Erfolg beschieden.Der Kampf um Livland hatte durch die Thronwirren nach dem Aussterben der Rurikiden in Moskau während der smuta (Zeit der Wirren, 1598—1613) eine völlig neuartige ostpolitische Dimension erhalten. Der polnische König war in die Aktion der beiden zweifelhaften Thronprätendenten, die als angebliche Söhne Iwans IV. auftraten, anfänglich nur indirekt involviert. Erst als Schweden 1609 einem Hilfeersuchen des Bojarenzaren Wassilij IV. Iwanowitsch Schujskijs folgte, entschloss sich Sigismund III. zum direkten Eingreifen. Die Festung Smolensk musste ihm 1611 ihre Tore öffnen. Bereits 1610 hatte der Krongroßhetman das Moskauer Entsatzheer bei Kluschino zerschlagen und den Weg nach Moskau freigekämpft. In den Kreml zog bis Oktober 1612 eine polnische Besatzung ein. Sigismund meldete nun eigene Thronansprüche an. Der Aufstand der russischen Provinz und die Wahl des Romanowzaren Michail Fjodorowitsch im Februar 1613 beendete diese hochfliegenden Pläne. Moskau erkaufte sich schließlich im Vertrag von Deulino (11. Dezember 1619) eine zeitweilige Waffenruhe an der Westgrenze, musste als Gegenleistung aber auf die polnischen Eroberungen, das strategisch wichtige Smolensk, das Tschernigower Land und die zum Fürstentum Nowgorod-Sewerskij gehörenden Städte an der Desna, verzichten.Der Schwedenkönig Gustav II. Adolf nutzte die neu gewonnene starke Stellung an der Ostseeküste und befahl einen erneuten Angriff auf Livland. Die polnischen Abwehrkräfte waren durch kriegerische Verwicklungen im Südosten an der Türkenfront geschwächt: Der Kronhetman erlitt im September 1620 am Pruth eine vernichtende Niederlage, und die Grenzfestung Chocim am Dnjestr hatte sich im Herbst 1621 einer mehrwöchigen Belagerung durch das Sultansheer zu erwehren. In dieser kritischen Phase erstürmten die Truppen des Schwedenkönigs 1621 Riga, 1625 fiel Dorpat in schwedische Hand. Nach dem Sieg über die polnisch-litauischen Truppen bei Wallhof in Kurland 1626 gewann der Schwedenkönig die kurländischen und nach der Besetzung Königsbergs die wichtigsten preußischen Küstenplätze hinzu. Nur Danzig wahrte, gestützt auf die eigene Flotte, die Eigenständigkeit und handelte gegen eine Teilabtretung von Zolleinnahmen eine Sonderstellung aus. Französische Diplomaten vermittelten den zunächst auf sechs Jahre befristeten Waffenstillstand von Altmark (26. September 1629). Bei Polen verblieben in Livland nur die südöstlichen Gebiete um Dünaburg, Ludsen und Rositten (Rēzekne), das heißt Lettgallen oder »Polnisch-Livland«; der Zugang zur Ostsee war weitgehend verloren. Der Wasakönig Sigismund III. hinterließ seinem Sohn Wladislaw IV. (1632—48) keine leichte Aufgabe. Schweden, Moskowiter, Tataren und Türken gefährdeten den territorialen Bestand des Reiches. In den südöstlichen Grenzregionen entwickelten sich die Kosaken zu einem immer schwerer zu bändigenden Unruhepotenzial. Der Widerstreit der Adelsinteressen und die Einwirkungen der kaiserlichen und der französischen Diplomatie ließen für die gesamtstaatlichen Belange Polens nur noch wenig Raum. Trotz wachsender Bedrohung der Ost- und Südostgrenze verweigerten die einflussreichen Magnaten und die szlachta dem König die Truppen und Geldmittel für eine offensive Kriegsführung. Während des kurzen Interregnums waren Krimtataren und Türken in Podolien eingefallen und moskowitische Truppen tief in die westrussischen Gebiete vorgedrungen, die Polen 1618 zugesprochen worden waren. Wladislaw IV. eilte nach seiner Wahl persönlich ins Feldlager und erzwang vor dem belagerten Smolensk die Kapitulation der Angreifer. Im »Ewigen Frieden« (27. Mai 1634) ließ er erneut den Status quo festschreiben, verzichtete aber gegen eine nicht unbeträchtliche Geldsumme förmlich auf den Moskauer Zarentitel.Alle Bemühungen des Königs, nach dem Tode Gustav II. Adolfs die schwedischen Thronansprüche zu erneuern und die Rückeroberung der verlorenen Gebiete in Livland einzuleiten, scheiterten. 1635 musste er sich mit der Rückgabe des »Königlichen Preußen« und dem Verzicht Schwedens auf den Danziger Hafenzoll begnügen. Der Familienpakt mit dem Hause Habsburg brachte dem kaiserlichen Schwager nur die Herrschaften Lauenburg/Leba und Bütow in Hinterpommern (1637) und den Pfandbesitz der schlesischen Fürstentümer Oppeln, Ratibor und Teschen (1645) ein sowie 1641 den Lehenseid des Kurfürsten Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg für das Herzogtum Preußen.Der große Kosakenaufstand (1648—57)Die mangelnde Gestaltungskompetenz der Königsmacht legten vollends die erfolglosen Bemühungen offen, die Grenzregion zum osmanischen Herrschaftsbereich zu befrieden. Das kriegerische Potenzial der erfahrenen Steppenkämpfer in das Verteidigungssystem zu integrieren, indem man Kosaken in königlichen Sold stellte, gestaltete sich aus fiskalischen Gründen als sehr schwierig. Die mehrheitlich ostslawischen Bauern sahen sich von der rapiden Ausdehnung des Latifundienbesitzes polnischer Magnatenfamilien zunehmend in ihrer Existenz bedroht.Die vom Adel erzwungene Zurückhaltung des Königs im Türkenkampf schürte wachsenden Unmut. Der Kosakenführung brachte ihr demonstratives Eintreten für die bedrängte orthodoxe Kirche Sympathien unter der unzufriedenen bäuerlichen Bevölkerung ein. Als daher nach mehreren gescheiterten Aufstandsversuchen der Kosakenhetman Sinowij Bogdan Michajlowitsch Chmelnizkij 1648 zu den Waffen rief, löste die Fackel des Aufruhrs einen verheerenden Flächenbrand aus. Chmelnizkij führte seine bunt zusammengewürfelte Heerschar zum Kampf gegen die polnische szlachta und gegen die verhassten Jesuiten. Rebellierende und marodierende Bauernhorden schlossen sich den Aufständischen an. Gewaltsame Übergriffe gegen Gutsbesitzer und pogromartige Judenverfolgungen hinterließen Angst und Schrecken. Am 24. Dezember 1648 hielt Chmelnizkij seinen triumphalen Einzug in Kiew.Wladislaw IV. hat die schmählichen Niederlagen seiner Truppen nicht mehr miterlebt. Sein Nachfolger wurde sein jüngerer Stiefbruder Johann II. Kasimir (1648—68), der im Abkommen von Zborów am 15. August 1649 den Kosaken die südöstlichen Woiwodschaften Kiew, Bracław und Podolien überlassen und die Zahl der Registerkosaken auf 40000 Mann erhöhen musste. 1651 schlossen die Kosaken ein Bündnis mit den Türken und drangen weiter nach Rotrussland und Wolhynien vor. Ende Juni 1651 wurden sie in der dreitägigen verlustreichen Schlacht bei Beresteczko vorerst gestoppt. Als der Vertrag von Bila Zerkwa (28. September 1651), der das »Register« um die Hälfte reduzierte, aber den Kosaken die Krongüter in der Woiwodschaft Kiew zusprach, nicht auf dem Reichstag im März 1652 ratifiziert wurde, wandten sich die Kosaken Hilfe suchend an den Moskauer Zaren und leisteten ihm 1654 den Untertaneneid. Beim Aufmarsch der moskowitischen Truppen gingen in rascher Folge 1655/56 die westrussischen und livländischen Gebietserwerbungen wieder verloren. Den tödlichen Stoß führte schließlich der Schwedenkönig Karl X. Gustav, der sich im Sommer 1655 zum Eingreifen entschloss.Die »Blutige Sintflut« (1655—60)Der schwedische Angriff über Hinterpommern und Livland leitete den 1. Nordischen Krieg, die »Blutige Sintflut«, ein. Die polnische Adelsrepublik war in heilloser Auflösung. Das großpolnische Adelsaufgebot kapitulierte bei Usch an der Netze am 25. Juli 1655, der litauische Großhetman Janusz Radziwiłłstimmte am 18. August einer Union des Großfürstentums mit Schweden zu. Kurfürst Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg musste am 17. Januar 1656 das Herzogtum Preußen und das Ermland als schwedisches Lehen nehmen. Die Schweden hatten inzwischen Warschau und Krakau besetzt und den polnischen König auf der Flucht bis nach Oberschlesien in die Obhut des Kaisers getrieben. Während verstreute königstreue Widerstandsgruppen den Invasoren einen Kleinkrieg aufzwangen, hatte der Polenkönig mit kaiserlicher Unterstützung eine antischwedische Koalition geschmiedet. Ihr waren der Krim-Khan, Moskau und Dänemark beigetreten. Im Sommer 1656 hatten russische Truppen den Kampf um Livland wieder aufgenommen. Der brandenburgische Kurfürst, der noch 1656 dem Schwedenkönig zur Rückeroberung Warschaus verholfen hatte, wechselte im Vertrag von Wehlau (19. September 1657) erneut die Fronten. Die Zeit war reif für einen Kompromiss. Nach dem Tode Karl X. Gustavs verzichtete Johann Kasimir im Frieden von Oliva am 3. Mai 1660 auf seine schwedischen Thronrechte und erkannte den territorialen Status quo an, der Estland und Livland mit Ausnahme Lettgallens bei Schweden beließ.Schwieriger war die Einigung mit Moskau. In dem zunächst auf dreizehneinhalb Jahre befristeten Waffenstillstand von Andrussowo bei Smolensk einigten sich der polnische König und der Zar am 30. Januar 1667 auf eine Teilung der westrussischen Gebiete entlang der Dnjeprlinie, eine Vereinbarung, die im Moskauer »Ewigen Frieden« vom 6. Mai 1686 endgültig bestätigt wurde. Polen verzichtete auf Smolensk, Sewerien (Nowgorod- Sewerskij), Tschernigow und die linksufrige Ukraine sowie — zunächst nur für zwei Jahre — auch auf Kiew. Für das Territorium der Saporoger Kosaken war ein polnisch-moskowitisches Kondominium vorgesehen. Vergeblich hatte der Hetman der rechtsufrigen Ukraine, Petro Doroschenko, versucht, einen einheitlichen Hetmanstaat zwischen den Machtblöcken zu erhalten. Als Ausweg blieb ihm 1668 nur noch eine Allianz mit den Türken, sodass er sich 1672 beim Feldzug des osmanischen Heeres nach Podolien zur Waffenhilfe verpflichtete. Nach der Eroberung der Grenzfestung Kamieniez musste Polen im Vorfrieden von Buczacz (18. Oktober 1672) hohe Tributzahlungen leisten, auf die Woiwodschaften Bracław und Podolien verzichten und das türkische Protektorat über das Kosakenterritorium anerkennen.Unter Johann II. Kasimir, dem letzten Wasakönig auf dem polnischen Thron, brach die Vormachtstellung Polen-Litauens in Ostmitteleuropa zusammen. Das Erbe trat Moskau an. Der polnische König war von den außenpolitischen Fehlschlägen zermürbt und verbittert wegen der gescheiterten Reformbemühungen. 1668 entsagte er seinen Thronrechten und zog sich nach Frankreich zurück. Er hinterließ eine in Adelsparteiungen gespaltene Nation. Der 1669 gewählte Schwager des Kaisers, König Michael, war ein Verlegenheitskandidat. Nach seinem Tod setzte sich 1674 der Kandidat der übermächtigen Parteigänger Frankreichs, die sich um den Kronhetman und erfolgreichen Türkenkämpfer Johann Sobieski und seine französische Gemahlin geschart hatten, gegen aussichtsreiche ausländische Bewerber durch. Obwohl dieser 1675 Ludwig XIV. versprochen hatte, die antihabsburgischen und antibrandenburgischen Pläne Frankreichs aktiv zu unterstützen, zwangen ihn die polnischen Eigeninteressen zu einem fortdauernden Engagement in den gefährdeten südöstlichen Grenzgebieten zum osmanischen Machtbereich. Er bemühte sich eifrig um das Zustandekommen einer gemeinsamen christlichen Abwehrfront. Der Polenkönig schloss 1683 einen Allianzvertrag mit dem Kaiser und folgte nur wenige Wochen später bereitwillig dem Hilferuf zur Rettung Wiens. An der Schlacht am Kahlenberg (12. September 1683) und am Entsatz der belagerten kaiserlichen Residenz hatte er einen wesentlichen Anteil. 1684 trat er der »Heiligen Liga« zwischen Kaiser, Papst und Venedig bei. Alle Hoffnungen auf die Rückgewinnung Podoliens und den Zuerwerb der Donaufürstentümer musste er allerdings in den folgenden Jahren in einem aufreibenden Grenzkrieg mit den Türken sehr schnell wieder begraben. Nach seinem Tod 1697 wurde die polnische Krone zum Handelsobjekt, das die Wahlmänner meistbietend an ausländische Bewerber verschacherten.Die »Sachsenzeit« (1697—1763)Unter den Thronbewerbern hatte sich der rechtzeitig zum Katholizismus konvertierte Kurfürst Friedrich August von Sachsen als August II. 1697 durchsetzen können. Aus dem Doppelamt des neuen Herrschers als Reichsfürst und polnischer König hat sich eine unheilvolle Verquickung der sächsischen Hausinteressen mit der polnischen Krone ergeben. Den beiden Sachsenkönigen wird die Hauptschuld an Zerfall und Untergang der Adelsrepublik angelastet.Ohne eigenes Zutun waren dem neuen Herrscher die Früchte des erfolgreichen kaiserlichen Türkenfeldzuges in Ungarn in den Schoß gefallen. Im Frieden von Karlowitz (26. Januar 1699) erhielt Polen die Gebietsverluste der letzten Jahrzehnte in Podolien und der Ukraine wieder zurück. Inzwischen hatte sich der König längst auf eine antischwedische Offensivallianz mit Russland und Dänemark eingelassen, die eine Rückgewinnung Livlands versprach. Der Handstreich sächsischer Truppen gegen Riga am 25. Dezember 1699 endete aber mit einem Fiasko. Er wurde zum Auftakt des großen Nordischen Krieges.Der Große Nordische Krieg (1700—21)Der junge Schwedenkönig Karl XII. hatte die Herausforderung angenommen. Er zwang die Dänen vorzeitig zum Ausscheiden aus dem Kriegsbündnis und vernichtete die russische Invasionsarmee bei Narwa am 30. November 1700. Dann warf er im Inneren Polens den Widerstand polnischer und sächsischer Verbände nieder und besetzte 1702 bis 1704 alle wichtigen Städte des Landes. August II. verlor in der Schlacht bei Kliszów (19. Juli 1702) seine ganze Armee. Im September 1706 rückten die Schweden schließlich auch in Kursachsen ein. Karl XII. zwang im Vertrag von Altranstädt 1706 seinen Gegner zum Verzicht auf die polnische Krone. Als Nachfolger präsentierte er den Woiwoden von Posen, Stanislaus Leszczyński, der schon 1704 von einer Minderheit der Wähler zum Gegenkönig ausgerufen worden war. Die Niederlage, die Peter der Große 1709 seinem Gegenspieler Karl XII. in der Schlacht von Poltawa zufügte, und der Rückzug der schwedischen Besatzungsarmee aus Polen ermöglichten August II. die Widerrufung der Abdankung. Im Thorner Allianzvertrag mit Russland (1709) verpflichtete er sich, dem Zaren weiterhin Waffenhilfe gegen Schweden zu leisten. Damit war aber eine künftige Ausdehnung der Nordgrenze aussichtlos geworden. Innenpolitisch scheiterten seine Bemühungen um eine Ausweitung seiner Machtbefugnisse: Der Warschauer Pazifikationstraktat (1716) bestätigte die alten Freiheitsrechte des Adels. Der König musste außerdem eine Reduzierung der polnischen und litauischen Heeresstärke und damit eine faktische Demilitarisierung hinnehmen und seine sächsischen Truppen entlassen. Der »Stumme Reichstag« zu Grodno hatte am 1. Februar 1717 diesen Beschlüssen zuzustimmen, mit denen sich Peter der Große einen gefügigen Nachbarn schuf.August II. und seine NachfolgeDie maßgebenden polnischen Magnatenfamilien waren sich nach dem Tode Augusts II. 1732 einig, das sächsische Experiment nicht mehr fortzusetzen und den früher gemiedenen Stanislaus Leszcziński, der als Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV. eine Eindä mmung der lästigen russischen Bevormundung versprach, zu favorisieren. Um dessen Thronbesteigung zu verhindern, setzten der Wiener und der Petersburger Hof mit Waffendrohung die Wahl des sächsischen Kurfürsten Friedrich August durch. Er wurde am 17. Januar 1734 in Krakau als August III. gekrönt.Der anschließende Polnische Thronfolgekrieg endete im Wiener Präliminarfrieden vom 31. Oktober 1735 mit einem Vergleich. Stanislaus Leszcziński wurde mit dem Herzogtum Lothringen entschädigt. Frankreich verzichtete auf seine bisherige Politik einer Barrière de l'Est in Ostmitteleuropa und überließ Polen den drei »schwarzen Adlern« Preußen, Österreich und Russland, die allein der gemeinsame Wille verband, die »polnische Anarchie« beizubehalten.Der Untergang der AdelsrepublikNach dem Tod Augusts III. handelte sich Katharina II. mit ihrem Schachzug, dem einstigen Favoriten Stanislaus August Poniatowski 1764 zum polnischen Königsthron zu verhelfen, einen keineswegs willfährigen Kandidaten ein.Gegen die Versuche, über Kommissionen die Entscheidungskompetenz der Regierung zu stärken und das Einspruchsrecht des einzelnen Adligen (liberum veto) auszuhebeln, ließ Katharina II. den Widerstand der Dissidenten mobilisieren. Protestanten, Orthodoxe und Andersgläubige schlossen sich 1767 unter dem Fürsten Karol Stanislaw Radziwiłłzur Generalkonföderation von Radom zusammen und erzwangen auf dem Konföderierten Reichstag in Warschau 1767/68 eine vertraglich garantierte Beibehaltung der alten Verfassungsgrundsätze und ein Toleranztraktat. Ihr Vorgehen beschwor bürgerkriegsähnliche Zustände herauf. In Podolien sammelten sich mit französischer und österreichischer Unterstützung die antirussischen Kräfte in der Konföderation von Bar und riefen zur Verteidigung von »Glauben und Freiheit« gegen den äußeren und inneren Feind, den König eingeschlossen, auf. In den östlichen Grenzregionen zogen aufgehetzte orthodoxe Bauern durch das Land und massakrierten im »Hajdamakenaufstand« ihre polnischen Herren und die Juden. Die russische Regierung sah sich schließlich zur bewaffneten Intervention veranlasst, die wegen vereinzelter Grenzverletzungen eine Kriegserklärung des türkischen Sultans zur Folge hatte.Die Konvertitin Katharina II. zog 1768 als Hüterin der orthodoxen Christenheit in diesen Türkenkampf. Ihre beispiellosen militärischen Erfolge riefen ihre westlichen Partner auf den Plan. In einer Phase hektischer diplomatischer Bemühungen konkretisierte sich der Gedanke, sich zur Ausbalancierung der unterschiedlichen Machtinteressen des polnischen Territoriums zu bedienen. Mit der Inkorporierung der seit 1412 an Polen verpfändeten 13 Zipser »Städte«, die Maria Theresia 1770 verfügt hatte, war ein Präjudiz geschaffen worden. Am 17. Februar 1772 einigten sich schließlich Russland und Preußen und am 5. August 1772 Österreich und Russland auf einen Teilungsvertrag, der Preußen die begehrte Landverbindung zu den ostpreußischen Besitzungen (ohne die Städte Danzig und Thorn), Russland die Gebiete östlich von Düna und Dnjepr (Weißruthenien und Polnisch-Livland) sowie Österreich das »Königreich Galizien und Lodomerien« zwischen oberer Weichsel und Bug einbrachte. Polen verlor nahezu 30 Prozent seines Territoriums. Die Regierungsverantwortung sollte künftig unter russischer Aufsicht ein Kollegialorgan aus 18 Senatoren und 18 Landboten, der »Immerwährende Rat«, ausüben.Der Schock der Teilung löste grundlegende Reformen aus: So wurde in Polen im Oktober 1773 nach der Auflösung des Jesuitenordens die erste weltliche Erziehungsbehörde in Europa, die »Edukationskommission«, eingerichtet. Vornehmlich während der Tagungsperiode des »Vierjährigen Reichstages« (1788—92) sind zum Missfallen der Protektoratsmächte einschneidende Reformvorhaben auf den Weg gebracht worden. Zum Stein des Anstoßes wurde mit ihrem Bekenntnis zu den Prinzipien der Volkssouveränität und der Gewaltenteilung die Maiverfassung vom 3. Mai 1791. Sie war die erste geschriebene Verfassung Europas. Katharina II. fühlte sich provoziert und sammelte von Sankt Petersburg aus die Reformgegner in der Konföderation von Targowica. Preußen und Russland verständigten sich im Vertrag vom 23. Januar 1793 auf eine zweite Teilung Polens.Vergeblich suchte sich General Tadeusz Kościuszko mit den verbliebenen bewaffneten Kräften dem unvermeidlichen Untergang der Adelsrepublik entgegenzustemmen. Der Aufstand wurde am 10. Oktober 1794 von russisch-preußischen Truppen niedergeschlagen. Am 3. Januar 1795 einigten sich Österreich und Russland auf eine vollständige Aufteilung des verbliebenen polnischen Territoriums. Preußen schloss sich im Oktober an. Am 25. November 1795 legte König Stanislaus II. Poniatowski die polnische Krone nieder.Prof. Dr. Edgar Hösch, MünchenWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Polen: Nation ohne StaatGrundlegende Informationen finden Sie unter:Polen-Litauen (1385 bis 1572): Ein Reich von der Ostsee bis zum Schwarzen MeerThe Cambridge history of Poland, herausgegeben von William F. Reddaway u. a., 2 Bände Cambridge 1950-51.History of Poland, herausgegeben von Zuzanna Stefaniak. Aus dem Polnischen. Warschau 21979.Hoensch, Jörg K.: Geschichte Polens. Stuttgart 21990.Hoensch, Jörg K.: Sozialverfassung und politische Reform. Polen im vorrevolutionären Zeitalter. Köln u. a. 1973.Laeuen, Harald: Polnische Tragödie. Stuttgart 31958.Müller, Michael G.: Die Teilungen Polens. 1772, 1793, 1795. München 1984.Rhode, Gotthold: Geschichte Polens. Darmstadt 31980.Zernack, Klaus: Polen und Rußland. Zwei Wege in der europäischen Geschichte. Berlin 1994.
Universal-Lexikon. 2012.